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Ev. Kirchengemeinde St. Nicolai Oranienburg

Freundschaft fängt immer mit einer Begegnung an

Ein Nachdenken über Gastfreundschaft und ein Aufruf

‘Einander begegnen und verstehen lernen.
               Gemeinsamkeiten entdecken und Unterschiede anerkennen.’

Mit diesen Worten lässt sich das Wesen der Begegnungspartnerschaft des Kirchenkreises mit unseren simbabwischen Freunden beschreiben, denn seit 18 Jahren schaffen wir es, uns jährlich im wechselseitigen Austausch zu begegnen. Die aufmerksamen Leser erinnern sich sicher an den einen oder anderen bereits erschienenen Bericht der Besuche. Auch in der letzten Ausgabe des Gemeindeblattes hat Ihnen Vikarin Franziska Roeber von ihren Eindrücken und Erlebnissen ihrer ersten Reise nach Simbabwe berichtet. Sie schreibt u.a. von der großen Gastfreundschaft und Offenheit, die ihr dort begegnet sind: “Hier erlebte ich kaum einen Unterschied zwischen Fremdsein und Bekanntsein, denn beidem wurde mit der gleichen Offenheit und Freundlichkeit begegnet.”
Auch ich habe auf dieser Reise wieder erlebt, wie die Menschen dort ganz selbstverständlich aus ihren kleinen Hütten und Betten ziehen, damit wir es als Gäste bequem haben und sich selbst auf den Boden unter fast freien Himmel zum Schlafen legen (und es kann sehr kalt werden in den simbabwischen Nächten).
 
Nun hatten wir (die Simbabwepartnerschaft), dank des Programmes der “Ökumenischen Botschafter” durch die Gossner Mission, die tolle Möglichkeit auch außerhalb des regulär vorgesehenen Besuchszeitraumes einen Gast aus unseren Partnergemeinden einzuladen. Mathias Mwembe, ein junger Mann aus Mulindi, absolvierte in der Zeit vom 24. September- 18. November 2014 diverse Praktika in Oranienburg (im CJO, der Druckerei Scherwinski und am Runge Gymnasium). Untergebracht war er, wie es unserem Wesen der Begegnung entspricht, in Gastfamilien.  Es war eine gute Zeit. Für Mathias aber auch für uns. Dennoch möchte ich an dieser Stelle von einer Schwierigkeit berichten auf die ich im Zuge der Organisation seines Aufenthaltes gestoßen bin und die mich doch sehr, sehr nachdenklich gemacht hat. 

Oft hörte ich als Antwort auf meine Anfrage bezüglich einer Unterkunft für Mathias,  dass das Haus zu klein sei, die Zeit nicht ausreiche oder man sich schlichtweg nicht wohl fühle mit einem Fremden im Haus. Der Aspekt der Belastung stand dabei einzig und sehr präsent im Vordergrund, was mich doch etwas irritiert. Gibt es denn nichts daran, was den Menschen Freude bringt oder ihr Interesse weckt?
Und ich fange an, mir Sorgen zu machen. Ernsthafte Sorgen. Sorgen, um die Zukunft der Partnerschaft, deren Hauptanliegen ja die Begegnung ist. Aber wie soll diese stattfinden, wenn dafür gar keiner mehr Zeit und Lust hat? Kann ich es da überhaupt verantworten für das kommende Jahr, wie geplant, 7 Menschen einzuladen ohne zu wissen, wo sie unterkommen können?
Ich frage mich, ob es tatsächlich eine zu große und unzumutbare Belastung ist, die man da von den Menschen erfragt?

Natürlich kenne auch ich den Zustand sich von Arbeit  regelrecht erdrückt zu fühlen. Jede weitere Aufgabe erscheint dann wie das Zuviel, welches den Kollaps provoziert. Noch dazu kommt das eigene Anspruchsdenken ein perfekter Gastgeber sein zu wollen: gutes Essen aufzutischen und immer tolle Ausflüge und Erlebnisse bieten zu wollen. Das klingt alles nach viel Arbeit und ich erinnere mich daran, wie sauer auch ich war als mir mein erster Gast aus Simbabwe mehr oder weniger aufgedrückt wurde- schließlich stand ich damals  ja kurz vor meiner Examensprüfung und musste heftigst lernen.

Und doch, ich möchte diese Erfahrung nicht missen (und das Examen wurde auch bestanden). Ich denke zurück an all die vielen Erlebnisse, die ich seitdem mit Gästen aus Simbabwe machen durfte: von Ottilia habe ich gelernt Körbe zu flechten, mit Sabina habe ich fleißig über’s Nähen gefachsimpelt, dank Douglas weiß ich jetzt, dass Nutella auf Wurst geschmiert gar nicht mal so übel schmeckt und ich muss schmunzeln, wenn ich daran denke, wie Jack bei einem Spaziergang vor Schreck fast ins Gebüsch gehüpft ist, weil er den Löwen auf einem aufgehängtem Handtuch im ersten Moment für echt gehalten hat. Und auch die gerade erst vergangenen  Wochen mit Mathias haben mein Leben bunter gemacht. Es ist schön im eigenen Alltag ein Stück Welt bei sich zu Gast zu haben und auch mal den eigenen Tellerrand verlassen oder ihn sogar plötzlich mit ganz anderen Augen sehen zu können.

Ich wünsche diese Erfahrung vielen Menschen und ich schreibe diese Zeilen in der Hoffnung, auch Sie ermuntern zu können, sich auf dieses kleine Abenteuer einzulassen. Um den Besuch der Gruppe aus Simbabwe im nächsten Jahr meistern zu können, benötigen wir neben finanzieller Zuwendung auch dringend Ihre Unterstützung als Quartiergeber und/oder Übersetzer (englisch/deutsch), Tagesbegleitung (stundenweise), Fahrdienst. Die Gruppe wird voraussichtlich im August 2015 für 3 Wochen in der Gemeinde sein. Da wir unseren Gästen versuchen möglichst vielfältige Eindrücke und Erfahrungen zu bieten, ist immer auch ein Quartierwechsel vorgesehen. Wenn Sie sich also in der Lage sehen und auch gerne die Erfahrung machen möchten einen weit gereisten Gast  für ca. 1 Woche  bei sich zu beherbergen oder sich in anderer Art und Weise einbringen möchten, dann melden Sie sich bitte umgehend.

Ich verspreche Ihnen, dass Ihre Mühen, die ich nicht leugnen will, in einem guten Gleichgewicht zu einer bereichernden Erfahrung stehen werden.
Wen das noch nicht überzeugt hat, den möchte ich anregen einmal die Bibel zum Thema Gastfreundschaft zu befragen (oder einfacherweise die Schlagworte ‘Gastfreundschaft’ und ‘Bibel’ in die Internetsuchmaschine einzugeben). Ich möchte an dieser Stelle antworten und mit den Worten aus Heb 13,2 enden : “Vergesst die Gastfreundschaft nicht; denn durch sie haben einige, ohne es zu ahnen, Engel beherbergt.”
 
Kathleen Schubert